Wo Visionen mutige Macher suchen.

Wo Visionen mutige Macher suchen.

In den unendlichen Weiten des Werbeuniversums sind unendlich viele Botschaften zu genau so vielen Produkten und Dienstleistungen zu finden. Einige dieser Botschaften scheinen kürzer oder länger zu leben, andere bunter oder heller zu scheinen. Wie intensive und lange die Bergüner Werbeaktion des „Herzlichen Fotoverbotes“ in diesem Universum zu den händeringend gesuchten Feriengästen durchdringen mag, wird sich weisen. Denn jede Werbeaktion ist nur so gut, wie die Erfüllung der suggerierten Verheissungen.

Vor Jahren, als ich in Addis Abeba für das Hilfswerk «Menschen für Menschen» tätig war, gingen wir zum Mittagessen öfter in ein kleines Restaurant um die Ecke. Nach der Speisekarte versprach die Küche mondän und vielseitig zu sein. Doch egal was der Gast bestellt, es wurde immer das gleiche Menü serviert: Schnitzel mit Pommes Frites. Wir gingen trotzdem immer wieder hin. Daniela, die Dolmetscherin, weil der äthiopische Kellner so süss sei. Ich, weil es mir Freude bereitete Dinge zu bestellen, die ich mir in der Schweiz nie hätte leisten können. Und dies notabene zum Einheitspreis von 2 Dollar. Wenn wir aber etwas zu feiern hatten, gingen wir dann doch lieber ins etablierte Swiss House oder Hilton zum Essen. So ist eine, wie auch immer geartet touristische Werbeaktion nur so viel Wert, wie das, was der Feriengast am Schluss als Erlebnis mit nach Hause nimmt.

Die Werbeaktion „Herzliches Fotoverbot“ verspricht eine wunderbare Bergwelt, die Bergün zweifellos hat, doch das haben andere auch. Was aber suggeriert die Aktion darüber hinaus? Alleine das Konvolut von mehreren Hundert negativen Onlinekommentaren lassen unterschwellig Enttäuschung erahnen und dahinter unerfüllte Botschaften vermuten. Es wäre falsch, wenn daher bei der Aktion „Herzliches Fotoverbot“ von heimatloser Kommunikation gesprochen würde, also von einer Botschaft, die ihre Zielgruppe verfehlt hat. Denn immerhin gelang Bergün im ersten Anlauf das Kunststück, auch eine bereits enttäuschte Kundengruppe wieder zu aktivieren. Damit hat sich Begrün – ob Absicht oder Zufall – selbst eine zweite Chance aufgebürdet, in der Bergün nun beweisen muss, ob nur die Werbeagentur in Zürich kreativ ist oder auch am Ende des Albulatales berghohe touristische Visionen gelebt werden. Denn, was nützt Bergün ein „Herzliches Fotoverbot“, wenn den Feriengästen weiterhin nur die Möglichkeit zu einer Kaffeepause angeboten wird, während nur wenige Kilometer weiter im Engadin immer neue touristische Angebote locken? Das Swiss House und Hotel Hilton in Addis Abeba lassen grüssen. Denn die letzten grossen touristischen Innovationen liegen auch in Bergün über hundert Jahre zurück. So ist, wie andern Orts auch, im Albulatal das dazumal grosse Bergbahnerlebnis zum banalen Transportmittel verkommen.

Die grösste Innovation, zumindest in der Kundenpflege, erbrachte der ehemalige Bergbahn- und Gemeindepräsident Fridolin Vögle, in dem er am Neujahrsmorgen jedem Bergbahnbenutzer persönlich einen „Röteli“ offerierte. Sicher, es gibt auch heute in Bergün noch einige wenige private Träger, die erfolgreich sind, doch das waren diese schon vor dem „Herzlichen Fotoverbot“. So bleibt für Bergün zu hoffen, dass die dringend benötigten Visionen nicht im Keim erstickt werden und neben neuen Gästen auch mutige Macher willkommen sind. Ansonsten gerät das „Herzliche Fotoverbot“ zum missglückten „Selfie“. 

 

">Die Tourismus-total-Expertenrunde von GRHeute berichtet und kommentiert einmal wöchentlich über aktuelle Tourismusthemen für Graubünden.

Heute für Sie unverblümt und direkt von der Front: Ditti Bürgin-Brook, Creative Producer bei der La Siala Entertainment GmbH («Schellen-Ursli»).

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Ditti Buergin-Brook

Kolumnist Tourismus
Creative Producer bei der La Siala Entertainment GmbH («Schellen-Ursli»). Ehemaliger Studiengangsleiter HTW Chur (Multimedia Produktion und Journalismus), Dozent an den Hochschulen München und Berlin, u.a. in Kulturmanagement, sowie Dozent für Filmproduktion an der Filmuniversität Babelsberg in Potsdam.