Die Bergbahnen Tschiertschen können den Betrieb mit Einnahmen aus dem Skibetrieb auch in guten Wintern nicht mehr sicherstellen. Pro Jahr fehlen den Betreibern zwischen 200’000 bis 400’000 Franken. An einer Infoveranstaltung stellten die Verantwortlichen von Bergbahnen und Gemeinde Tschiertschen-Praden drei verschiedene Zukunftsszenarien zur Diskussion. Auch das endgültige Aus ist möglich.
Seit einigen Jahren zeichnet sich für die Bergbahnen Tschiertschen eine fatale Entwicklung ab: Selbst in schneereichen Wintern mit optimalen Witterungsverhältnissen, wie der letzten Saison, lassen sich die notwendigen Anzahl Ersteintritte von 45’000 und damit der Break-Even nicht mehr erreichen. Pro Jahr verzeichnen die Bergbahnen Defizite von 200’000 bis 400’000 Franken. Das Verlustrisiko ist auch deshalb hoch, weil das Skigebiet kaum über Beschneiungsanlagen verfügt und damit auf Gedeih und Verderb auf Naturschnee angewiesen ist. Die Klimaerwärmung stellt ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor dar, der die Problematik in Zukunft noch verschärfen könnte.
Ende der »Pflästerlipolitik»
Nur dank Darlehen und Spenden der Ein- und Zweitwohner – letztmals im Winter 2018/19 im Umfang von 350’000 Franken – konnten die Bergbahnen Tschiertschen in den letzten Jahren immer wieder Übergangslösungen finden. Nun ist Schluss mit der «Pflästerlipolitik». Der Verwaltungsrat der Bergbahnen und der Gemeindesvorstand von Tschiertschen-Praden streben gemeinsam eine nachhaltige Lösung an. In den letzten Monaten arbeitete deshalb eine Arbeitsgruppe aus beiden Gremien intensiv an Zukunftsszenarien. Am Informationsanlass vom Freitagabend wurden die Ergebnisse präsentiert und die Diskussion mit der Bevölkerung lanciert.
Drei strategische Varianten mit Vor- und Nachteilen
Den Erst- und Zweitwohnern stehen drei Szenarien zur Auswahl.
- Die erste Variante sieht ein Weiterbetrieb des jetzigen Skigebiets vor. Um den Betrieb zu sichern, müssten sich die Erst- und Zweitwohner mit Beiträgen zwischen 1’000 bis 2’000 Franken pro Haushalt und Jahr an den Kosten beteiligen. Mit dieser Variante werden die Bergbahnen Tschiertschen zum Service Public. Sie ist an das sogenannte «Golfclub-Modell» des Wirtschaftsforums Graubünden angelehnt, das bereits in Vals erfolgreich implementiert werden konnte.
- Die zweite Variante stellt die Anbindung an Arosa mittels einer Pendelbahn dar. Dieses Szenario ist eine Vorwärtsstrategie, welche Tschiertschen mit einem der attraktivsten Skigebiete Graubündens verbindet. Erste Berechnungen zeigen, dass ein solches Projekt mit Kosten von ca. 15 – 17 Mio. Franken bezüglich Finanzierung und Wirtschaftlichkeit nicht unrealistisch ist, wenn Arosa Hand bietet. Doch noch gibt es viele offenen Fragen, die geklärt werden müssen. Die Variante kann nur unter Einbezug aller Akteure, auch der Umweltschutzorganisationen, erfolgen.
- Die dritte Variante heisst Stilllegung der Bergbahnen Tschiertschen und das Ende des Wintersports vor den eigenen Haustüren. Die negativen Wertschöpfungseffekte würden eine Wertvernichtung von schätzungsweise 60 Mio. Franken bei den Immobilien sowie ein Verlust von rund 3.5 Mio. Franken jährlicher Wertschöpfung aus dem Bergbahnbetrieb bedeuten. Andererseits könnte sich Tschiertschen vielleicht in Richtung sanften Tourismus neu erfinden.
Bis Ende 2021 sollen die Würfel fallen
Der Beschluss, der nun von der Bevölkerung gefällt werden muss, wiegt schwer. Um die noch offenen Fragen zu klären und eine sorgfältige Abwägung aller Varianten zu ermöglichen, braucht es Zeit, die man sich nehmen will. Der vorgeschlagene Fahrplan der Gemeinde und der Bergbahnen Tschiertschen zielt darauf ab, bis Ende 2021 einen Konsens über das Zukunftsszenario der Bergbahnen Tschiertschen zu erreichen.
Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, müssen parallel auch Sofortmassnahmen ergriffen werden, um die Bergbahnen finanziell zu stützen. Vor diesem Hintergrund wurde eine ganze Palette an Massnahmen ausgearbeitet, die kurzfristig Mittel für die Bergbahnen auslösen sollen. Die Optimierungen des Tarifsystems der Bergbahnen, eine Erhöhung von Liegenschaftssteuern und Gästetaxen, die Neuorganisation des Tourismusvereins sowie Darlehen aus dem Gemeindehaushalt stehen zur Debatte. Die Zeit drängt, denn der Saisonstart der Bergbahnen ist aktuell noch nicht gesichert. Bei der Auswahl der Sofortmassnahmen sind die gerechte Lastenverteilung auf den Schultern von Erst- und Zweitwohnern wie auch grünes Licht vom Kanton entscheidende Kriterien.