Digitale Festspiele am Theater Chur

Digitale Festspiele am Theater Chur

Das Theater Chur geht neue Wege: An vier Tagen im März wird gezeigt, dass Theater mehr ist als «nur» alte Klassiker spielen. An den Digidays gibt sich das Theater ganz den verschiedenen Formen der Digitalisierung hin.

Angefangen hat alles, als das Theater Chur wie alle anderen Häuser in der Schweiz auch, fünf Monate lang geschlossen war. «Bei der Realisierung von Live Streams, haben wir gemerkt, dass plötzlich die Dame aus dem Engadin und der Herr aus Disentis die gleiche Vorstellung besuchten», sagte Roman Weishaupt, der geschäftsführende Direktor anlässlich einer Präsentation der «Digidays». Damit habe über die virtuellen Möglichkeiten eine Identität geschaffen werden können. «Wir haben als Konsequenz davon eine digitale Konzeptionsstelle geschaffen, die diese digitalen Möglichkeiten erforscht», sagte Roman Weishaupt.

So – und mit Bundesgeldern für Transformationsprojekte – kamen die «Digidays» zu Stande, die vom 7. bis am 10. teilweise im Theater Chur, aber auch am Tablet oder am Handy statt finden. Zusammengestellt wurden sie von Yves Regenass, dem digitalen Dramaturg. GRHeute hat ein paar Highlights zusammen gestellt:

«Twin Speaks»

Wir erinnern uns: In David Lynchs «Twin Peaks» sucht eine Kleinstadt 48 Folgen lang den Mörder von Laura Palmer. In «Twin Speaks» liegt die Leiche irgendwo in Birsfelden, das gemäss Beschreibung ebenso randständig und provinziell wie Twin Peaks ist. Diejenigen, die es schon gesehen haben, sagen, es ist voll mit Andeutungen auf das Original. GRHeute fragt: Sehen wir endlich das Gesicht von Diane? Die beiden Vorstellungen von «Twin Speaks» finden auf Telegramm statt.

«Nessun Dorma»

«Keiner schläft», die Arie aus «Turandot» von Giacomo Puccini, wird mit der Digitalisierung total entstaubt: Auf der Bühne stehen zwei Roboter – «Arca und Puzzini» – die Arien komponieren, malen und gemäss Yves Regenass «wird ohne Menschen soviel Menschlichkeit verspielt», wie es Menschen nicht besser könnten. Die Vorstellung findet im Theater statt.

«Flintrige»

Die «Flintrige» spielt auf einer multidimensionalen Wanderung auf 16 Quadratmetern statt und ist eine Anlehnung an Max Frischs «Der Mensch erscheint im Holozän». Ein 3D-Drucker druckt eine Landschaft im Tessin. «Es ist ein Text Adventure und mein persönliches Highlight», sagt Yves Regenass. Das Happening findet in einem Kubus im Theater Foyer statt und ist nur für eine Person aufs Mal zugänglich.

«Seven Grams»

«Seven Grams» ist Inversive Journalism auf dem iPhone, in drei Teilen geht der Kriegsfotograf Karim Ben Khalifa in Kongo den globalen Lieferketten für seltene Mineralien nach – und will damit vor allem die menschlichen Kosten aufzeigen, die bei der Herstellung der nicht mehr wegzudenkenden Smartphones anfallen. Der Anlass findet in der Theaterbar statt – am Smartphone.

«(Un)friendly robots»

Als einen der Workshops wollen wir hier den Roboter-Baukurs empfehlen. Mit einfachen Materialien und Werkzeugen – Karton, Stoff, Büroklammern, Gummis, Cutter, Tacker, Klebeband – werden rund um einen Elektromotor robotische Wesen gebastelt. Der Roboter kann am Schluss mit der Mimik gesteuert werden. Der Anlass findet analog im Theater statt.

Eigentlich kommt man mit diesen wenigen Auflistungen nur ansatzweise an das Programm, das das Theater Chur zusammen gestellt hat. Viele Programmpunkte finden sowohl virtuell als auch analog statt; so dass am Ende nicht nur der Herr aus Disentis und die Dame aus dem Engadin, sondern auch Hans Muster aus New York und Maria Müller aus Sidney dabei sein könnten, rein theoretisch.

Darum, bevor wir uns alle zu «Twin Speaks» treffen – unbedingt viel Zeit einplanen und sich in die digitale Welt des Theater Chur begeben. Das vollständige Programm findet sich hier: Theater Chur. Ein DigiPass kostet 35 Franken, der Online-Pass 20 Franken.

(Bilder: zVg. Das Titelbild zeigt eine Szene aus «Flintrige», das zweite Bild zeigt den Roboter aus dem Workshop «(Un)friendly robots». )

 

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.