Aufgrund des erhöhten öffentlichen Drucks und den sich verschärfenden rechtlichen Rahmenbedingungen müssen Unternehmen nicht nur in der eigenen Organisation, sondern auch in ihren internationalen Lieferketten eine verantwortungsvolle Unternehmensführung sicherstellen. Ab Januar 2023 sind sie gesetzlich dazu verpflichtet. Viele Firmen sind dafür noch nicht ausreichend gerüstet, wie eine Untersuchung der Fachhochschule Graubünden zeigt. Ein Handbuch der Forschenden unterstützt sie dabei.
Als Folge der Konzernverantwortungsinitiative sind grosse Unternehmen künftig verpflichtet, über die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit Bericht zu erstatten sowie besondere Sorgfaltspflichten in den Bereichen Kinderarbeit und Konfliktmineralien zu erfüllen. Die Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags zur 2020 am Ständemehr gescheiterten Initiative erfolgt ab Januar 2023. Ab dann müssen die Unternehmen die Risiken ihrer Tätigkeiten in Bezug auf Umwelt, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption offenlegen sowie über die dagegen ergriffenen Massnahmen berichten.
«Viele Unternehmen sind noch nicht genügend darauf vorbereitet», sagt Christian Hauser, Professor am Schweizerischen Institut für Entrepreneurship an der FH Graubünden, «je grösser ein Unternehmen jedoch ist, desto besser ist es gerüstet.» Nachholbedarf besteht gemäss der Untersuchung vor allem noch bei Umweltthemen und im sozialen Bereich. «Wir liefern mit unserem Handbuch ein Instrument, welches den Unternehmen hilft, sich auf die neuen gesetzlichen Bestimmungen vorzubereiten», sagt Hauser.
Fehlverhalten mit schwerwiegenden Folgen
Aufgrund der zunehmend weltweiten Verteilung der Aktivitäten zur Herstellung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen dehnt sich der Verantwortungsbereich von Unternehmen immer mehr auf ihre Lieferketten aus. Dabei zeigt sich, dass auch das Fehlverhalten der Lieferkettenpartner negative Auswirkungen auf das Image und die Legitimität und infolgedessen auf die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit eines Unternehmens haben kann. «Um die komplexen Herausforderungen entlang der internationalen Lieferketten erfolgreich anzugehen, ist kollektives Handeln aller beteiligten Akteure erforderlich, allen voran der Unternehmen und ihrer Lieferanten», sagt Hauser.
Um Auskunft über den aktuellen Stand der verantwortungsvollen Unternehmensführung in internationalen Lieferketten zu erhalten, führten die Forschenden bei 515 Unternehmen in der Schweiz, Deutschland und Österreich eine Befragung durch. Die Ergebnisse zeigen, dass gegenwärtig nur wenige Firmen Instrumente für eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit einsetzen. Das am häufigsten genutzte Instrument ist mit 28 Prozent die Unterzeichnung des unternehmenseigenen Lieferantenkodexes. 23 Prozent der Unternehmen unterschreiben den Verhaltenskodex des Lieferanten. Und jedes vierte Unternehmen schafft ein offenes Umfeld, um Fragen der verantwortungsvollen Unternehmensführung mit den Lieferanten diskutieren zu können.
Die Untersuchung zeigte aber auch auf, dass nicht nur die Schweizer Unternehmen, sondern auch deren internationale Lieferanten bei der Umsetzung einer verantwortungsvollen Unternehmensführung mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sind. Die Lieferanten gaben an, dass der hohe administrative und finanzielle Aufwand, das mangelnde Problembewusstsein sowie die fehlende Standardisierung Hindernisse seien. «Anstatt von den Lieferanten die Implementierung verschiedener Standards zu verlangen und damit deren Ressourcen zu strapazieren, sollten die Schweizer Unternehmen auf eine Harmonisierung beziehungsweise die gegenseitige Anerkennung der Standards hinwirken», sagt denn auch Hauser.
Roadmap mit Handlungsoptionen
Das Handbuch der FH Graubünden hilft Schweizer Unternehmen, ein fähigkeitsadäquates und risikobasiertes Vorgehen zur Sicherstellung ihrer unternehmerischen Verantwortung zu wählen. Das heisst, dass sie Methoden entsprechend ihrem Einflussvermögen auf den jeweiligen Lieferanten und basierend auf Risiken in Bezug auf Umwelt, Soziales und Governance (ESG) anwenden. Im Rahmen des von der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung – Innosuisse mitfinanzierten Projektes wurde ein Modell zur Lieferantenklassifizierung entwickelt, das einerseits das Einflussvermögen auf den Lieferanten und andererseits dessen ESG-Risikoniveau berücksichtigt. In Form einer Roadmap und eines Methodenkoffers werden den Unternehmen Handlungsoptionen für eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit in internationalen Lieferketten aufgezeigt. Zudem werden empirische Befunde präsentiert, die aufzeigen, welche Instrumente und Methoden die Unternehmen zur Sicherstellung einer verantwortungsvollen Unternehmensführung in ihren internationalen Lieferketten derzeit einsetzen.
Weitere Details:
• Projekt «Integrity-Zusammenarbeit in internationalen Lieferketten»
(Quelle: FHGR)