Nur eine «leichte» Vergewaltigung

Nur eine «leichte» Vergewaltigung

GRHeute
30.10.2025

Das Regionalgericht Plessur hat die schriftliche Urteilsbegründung im Fall des ehemaligen Bündner Verwaltungsrichters veröffentlicht. Daraus geht hervor, weshalb das Gericht dem Opfer glaubte, den Beschuldigten für schuldig befand – und warum die Strafe dennoch milde ausfiel.

Fast ein Jahr nach dem Urteil hat das Regionalgericht Plessur erklärt, weshalb es einen ehemaligen Richter wegen Vergewaltigung, mehrfacher sexueller Belästigung und mehrfacher Drohung verurteilt hat. Der Mann erhielt im November 2024 eine bedingte Freiheitsstrafe von 23 Monaten, eine ebenfalls bedingte Geldstrafe sowie eine Busse von 2300 Franken. Nun zeigt die schriftliche Begründung im Detail, wie das Gericht seine Entscheidung begründet.

Klare und glaubhafte Aussagen der Praktikantin

Nach Ansicht des Gerichts waren die Aussagen der ehemaligen Praktikantin in sich stimmig und über alle Befragungen hinweg konstant. Sie habe die Geschehnisse am 13. Dezember 2021 in allen wesentlichen Punkten gleich geschildert und auch viele kleine Details wiederholt genannt. Dadurch wirkten ihre Schilderungen glaubhaft. Besonders eindrücklich habe sie beschrieben, wie erniedrigend die Situation für sie gewesen sei, als der Beschuldigte trotz ihres Widerstands nicht von ihr abliess.

Widersprüche in den Aussagen des Richters

Beim ehemaligen Richter kam das Gericht zu einem anderen Schluss. Zwar seien seine Schilderungen in Randbereichen konstant gewesen, doch beim eigentlichen Geschehen sei er auffällig zurückhaltend geblieben. Erst später im Verfahren habe er seine Darstellung verändert und erweitert, was Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit geweckt habe. Zudem seien einzelne seiner Aussagen – etwa zu Zeitpunkt und Ablauf der Treffen – durch Chatnachrichten widerlegt worden.

Gewaltanwendung und gebrochener Widerstand

Das Gericht kam zum Schluss, dass der Richter der jungen Frau im Büro den Weg versperrte, sie in eine Ecke drängte und trotz ihrer Gegenwehr den Geschlechtsverkehr erzwang. Damit seien sowohl körperliche Gewalt als auch der gebrochene Widerstand gegeben. Die Richterin bezeichnete den Einwand der Verteidigung, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt, als unbegründet. Der Tatbestand der Vergewaltigung sei erfüllt.

Weitere Vergehen: Belästigung und Drohbriefe

Neben der Vergewaltigung sah das Gericht auch die Vorwürfe der sexuellen Belästigung und der Drohung als erwiesen an. Über Monate hinweg habe der Beschuldigte der Praktikantin anzügliche Nachrichten geschickt. Später habe er an sie und ihren Partner anonyme Drohbriefe verfasst, in denen er unter anderem schrieb, sie werde die Anwaltsprüfung in Graubünden «nie bestehen».

Gericht spricht von «leichter» Vergewaltigung

Das Gericht stuft die Tat im juristischen Sinn als «noch leicht» ein. Der Beschuldigte habe die Tat nicht geplant, nur geringe körperliche Gewalt angewandt und das Opfer nicht verletzt. Zudem habe die starke mediale Berichterstattung über den Fall das Verfahren zu seinen Ungunsten beeinflusst – dies wertete das Gericht als strafmildernd.

Bedingte Strafe wegen fehlender Vorstrafen

Da der ehemalige Richter bisher nicht vorbestraft war und keine Anzeichen für eine Rückfallgefahr bestanden, wurde die Freiheitsstrafe bedingt ausgesprochen. Sowohl Haft als auch Geldstrafe sind auf zwei Jahre Bewährung ausgesetzt.

Urteil ist noch nicht rechtskräftig

Der Entscheid des Regionalgerichts Plessur ist noch nicht rechtskräftig. Sowohl der Beschuldigte als auch die Privatklägerin können das Urteil weiterziehen.

 

(Symbolbild: Pixabay)

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