Die Mitte «feiert» 50 Jahre Frauenstimmrecht

Die Mitte «feiert» 50 Jahre Frauenstimmrecht

Muss man sich fremdschämen, dass es in der Schweiz erst 50 Jahre her ist, seit das Frauenstimmrecht eingeführt wurde? Dieser Frage gingen die Frauen der Mitte nach.

Es war eine illustre Frauenrunde, die sich am Donnerstagabend im Hotel Chur in Chur traf. Ida Derungs, zusammen mit Lisa Bener und Elisabeth Lardelli die erste Grossrätin Graubündens, zum Beispiel. Oder Eveline Widmer-Schlumpf, bis jetzt nur eine von zwei Frauen, die jemals im Regierungsrat des Kantons Graubünden waren. Die jetzige Grossratspräsidentin Aita Zanetti, undundund. Organisiert wurde der Anlass von der Präsidentin der Mitte-Frauen Graubünden, Jeanette Bürgi-Büchel.

«Es war ein langer und beschwerlicher Weg», sagte die Gemeindepräsidentin von Ilanz/Glion, Carmelia Maissen, in einem Input-Referat zu Anfang des Abends. «Ist das wirklich ein Grund zum Feiern?» Graubünden habe auch zu den Schlusslichtern in dieser Frage gehört. Erst 1983 sei das Frauenstimmrecht auf kantonaler und kommunaler Ebene eingeführt worden, obwohl beispielsweise mit Meta von Salis eine grosse Verfechterin der Gleichberechtigung in Graubünden beheimatet gewesen war.

«Graubünden hat eine lange Tradition der Quoten», sagte Carmelia Maissen. Man lege sehr gerne fest, ob ein Amt mit einem Oberländer oder einer anderen Region besetzt werde. Auch die Sprachregionen könnten eine Rolle spielen.  «Aber bei den Frauen ist eine Quote ein rotes Tuch.»

Rabenmütter und ein staubsaugende Sohn

Etwas, das Ida Derungs schon in ihrer jungen Polit-Karriere zu spüren bekommen hat, wie sie in der folgenden Podiumsdiskussion sagte. «Die Männer sagten uns, wir dürften die Geschäfte sicher nicht miteinander vorbesprechen. Da haben wir gesagt: Wenn das der Bauernverband kann, dann können wir das auch.» Neben Ida Derungs nahmen Eveline Widmer-Schlumpf, Sandra Maissen und Sarah Bünter, Präsidentin der Jungen Mitte, daran teil. Moderiert wurde die Runde von Somedia-Redaktionsleiterin Denise Erni.

Ida Derungs war 1986 die erste Standespräsidentin Graubündens. «Ich hatte schon ein bisschen weiche Knie, als wir drei Frauen den 117 Grossräten gegenüber standen.» Sie sei aber von allen immer unterstützt worden. Zwar habe sie durchaus wüste Post bekommen und sei als Rabenmutter beschimpft worden. «Aber mein Mann und meine Eltern haben mich immer unterstützt, sonst wäre es nicht gegangen.»

Den Vorwurf der Rabenmutter kennt Eveline Widmer-Schlumpf auch. «Aber ich hatte nie ein schlechtes Gewissen. Mein Mann und ich haben das so abgemacht und uns so organisiert. Es war mein Leben und für uns hat es so gestimmt.» Wichtig sei ihr und ihrem Mann auch gewesen, dass sie den mittlerweile erwachsenen Kindern diese Rollenverteilung vorgelebt haben. «Es gab eine Zeit, in der wusste unser Sohn als einziger, wo sich der Staubsauger befand.»

Kevin Brunold im Muki-Turnen

Die Churer Stadträtin Sandra Maissen hatte ebenfalls nie ein schlechtes Gewissen. «Ich glaube, für meinen Sohn hatte meine Karriere nur Vorteile.» Sie, die vor fast genau einem Jahr als erst zweite Frau in den Churer Stadtrat gewählt wurde, hatte nie den Eindruck, dass Männer sich an ihrer Kandidatur stören würden.

Sarah Bünter, die aus dem Thurgau angereist war, gibt ihr Präsidium der Jungen CVP demnächst ab. «Viele haben mir gesagt, dass ich es nur bekommen habe, weil ich eine Frau bin», sagte sie. Ihr sei das egal. Wenn ihr aber jemand wie Matthias Müller, der Präsident Jungfreisinnige Schweiz, mit einem Lächeln sage, dass er froh sei, dass ich gehe, da ich zu einer grossen Konkurrenz geworden sei für ihn, zeige ihr das, dass sie es nicht so schlecht gemacht habe.

Drei Männer waren an diesem Abend anwesend. Einer davon war Co-Präsident Kevin Brunold. «Ich war heute das erste Mal im Muki-Turnen», sagte er. Seine Frau, eine Ingenieurin, würde im Moment nicht arbeiten. «Wir haben aber den Deal, dass, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, sie wieder in den Beruf zurück kann. Dann werde ich zurück stecken.»

(Bild: GRHeute)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.